The Sound of Eastern Germany

Bad Saarow/Chemnitz - Die Kommunikationsagentur zebra | group war eingeladen zum Ostdeutschen Wirtschaftsforum (OWF) Zukunft – DAS Zukunftsforum für die TOP-Entscheider aus Wirtschaft und Politik im Osten. Als einziger Vertreter der Kreativwirtschaft wurde ich gebeten, einzuschätzen, ob Ostdeutschland eine Berechtigung als eigenständige Marke für Deutschland hat und ob eine solche Marke auch neben „Made in Germany“ bestehen kann.

Also eine strategische Aufgabe, der ich mich gern gestellt habe. Und ein Thema, das das OWF Zukunft für zwei Tage beschäftigt hat. Einmal aus der Perspektive des Bundes, vorgetragen unter anderen von den Bundesministern Olaf Scholz und Peter Altmaier. Und dann aus der Sicht der Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister des Ostens, die so geschlossen den Eindruck einer Region mit großem wirtschaftlichen Potenzial hinterließen, dass man es ihnen glauben konnte. (Copyright Fotos: „© W+M/Ralf Succo”)

Deep Dives mit der zebra | group

Zurück zur Frage nach der Marke Ostdeutschland: Der Schlüssel zur Antwort liegt im Transformationsprozess Ostdeutschlands, den Wirtschaft, Politik und Gesellschaft seit der Wende durchlaufen. Die Kommunikationsagentur zebra | group hat aufgrund ihrer fast 30-jährigen Erfahrung in der Führung ostdeutscher Marken einen guten Fundus an Wissen über die Entwicklung der Wirtschaft und Menschen im Osten.

In der Zusammenarbeit mit ostdeutschen Medien, allen voran SUPERillu und im Rahmen von strategischen Workshops, hat sich die zebra | group immer wieder tiefe Einblicke in die Seele der Ostdeutschen erarbeitet. 2015 haben wir gemeinsam mit dem IfD Allensbach, SUPERillu und den 15 ostdeutschen Tageszeitungen die Studie „Wertewandel Ost“ verfasst und verlegt, eine quantitative Studie mit höchster nationaler Beachtung. 2020 folgte der „Navigator Ost“, eine Fokusgruppenanalyse über Kohorten-Effekte in Werten und Einstellungen ostdeutscher Generationen. Der Kanon dieser beiden Untersuchungen deckt sich mit den Aussagen auf dem OWF: Der Osten transformiert sich.

Und schon als WiWi-Student hatte ich an der Uni Freiberg in den 90ern das Hauptfach Transformationsökonomie belegt und kann damit auch die volkswirtschaftliche Seite der Diskussion über den Osten einspiegeln. Sehr hilfreich, wenn man kausal argumentieren möchte und die Auswirkungen der Transformation im Heute nicht nur vom gewünschten Ergebnis, sondern auch von der Ökonomie beleuchten will. Und dann wieder zurück zum Menschen. Was es mit ihm macht als soziales Wesen, das sich schwer auf den homo oeconomicus reduzieren lässt.

"Hat Ostdeutschland die Kraft, eine eigenständige Standortmarke zu sein? Was haben Transformation und Menschen miteinander gemacht, was ist die Erzählung dazu? Und der Sound of Eastern Germany, wie klingt er denn nun?"

Owf Zukunftsforum Ralf Sippel
Ralf Sippel (zebra group Chemnitz) . Ostdeutsches Wirtschaftsforum Zukunft OWF im Hotel Esplanade am 14.06.2021 in Bad Saarow Foto: Ralf Succo

(--> Lesen Sie dazu auch meinen Gastbeitrag The Sound of Eastern Germany: Hat Ostdeutschland die Kraft, eine eigenständige Standortmarke zu sein?" in Wirtschaft + Markt, das einzige ostdeutsche Wirtschafts- und Unternehmermagazin)

Die Antwort liegt in der Transformation

Nicht irgendwer, sondern die Menschen im Osten haben das geleistet, sie alle und jeder anders, aber als kollektive Erfahrung. Der konsequente Anschluss einer sozialistischen Planwirtschaft an die Marktwirtschaft sowie der Anschluss eines kompletten Staates an ein anderes Gesellschaftssystem waren bis 1991 ohne Beispiel. Keinem Land der Welt ist dies vorher gelungen. Der Osten hat eine einzigartige Transformationsleistung erbracht und verfügt nun über die Erfahrung daraus.

Wir alle kennen noch die Versprechungen von blühenden Landschaften und die Erwartungen, welche die D-Mark und Reisefreiheit in uns Ossis geweckt haben. Dann kam die Privatisierung durch die Treuhand und das Tal der Tränen. Die Erfahrungen lassen sich vielleicht am besten in diese eine Zahl packen: Vier von Fünf Menschen mussten ihre Jobs aufgeben und sich neue Existenzen aufbauen. Lebensleistungen wurden entwertet, zu viele verließen die Heimat gen Westen auf der Suche nach Arbeit. Das hat Enttäuschungen produziert, die bis heute nicht verarbeitet wurden: vom mutigen und friedlichen Revolutionär zum Arbeitslosen innerhalb weniger Jahre. Oder: From Hero to Zero. Das hat etwas mit dem Lebensgefühl vieler Menschen gemacht, das Gefühl von Zweitklassigkeit verdrängte den Stolz auf die Wende.

Eine Blaupause für den Change

Und trotzdem kam die Transformation voran, jede Dekade brachte einen Fortschritt. Heute steht der Osten mit 80 Prozent Leistungsfähigkeit des Westens gut da. In den Metropolen noch besser, im Ländlichen auch mal weniger gut. Aber sind wir nun angekommen oder nicht, woran lässt sich der Erfolg messen und wo bleiben endlich die versprochenen Hundertprozent? Hundertprozent - wovon eigentlich?

Aus internationaler Perspektive ist die ostdeutsche Transformation ein klarer Erfolg. Und eine Blaupause für die Transformationen ins Unbekannte, die weltweit vor uns liegen. Überall stehen gesamtgesellschaftliche Veränderungen an, die die Welt in den kommenden Jahrzehnten begleiten und formen werden.

Die Ostdeutschen können in diesen schwelenden Diskursen zu wertvollen Ansprechpersonen werden: Mit ihrer persönlichen Perspektive auf drei Transformationsdekaden und ihren Erzählung, wie alles begann und als es den gemeinsamen Mut brauchte, eine Diktatur zu stürzen.

Der Osten – mehr Drama oder schon Happy End

Diese Transformationserfahrung ist also der Markenkern der Standortmarke Ostdeutschland, egal ob wir sie nun zur Marke „machen“ oder nicht. Revolution und Wende, Liebe zur D-Mark, das Drama der Massenarbeitslosigkeit und letztlich ein Happy End für die Mehrheit – das sind die Kapitel der ostdeutschen Markenstory über die Transformation.

Aber wem soll diese Marke nun nützen?

Drei Dinge fallen mir dazu ein:

  1. Die Marke Ostdeutschland kann nach außen einen starken Case für die Softpower Deutschlands machen, seine eigene große Erzählung vom Wandel bereichern. Um das Kapitel Ende des kalten Krieges zu erzählen, das vermeintliche Ende der Geschichte. Heute ist es wohl wichtiger denn je, daran zu erinnern, weil wieder genügend Diktaturen versuchen, ihre Bürger einzumauern.

  2. Diese Marke kann ebenfalls internationale Investoren anziehen, welche den Wandel mit neuen Technologien und Produkten gestalten wollen. Warum denn nicht an einem Ort, wo das schon mal funktioniert hat. Und die Geschichte „when the wall came down in Berlin“ ist weltweit vorverkauft, mit starken Bildern. Man muss sie jetzt nur eben in eine brand story übertragen. So eine Marke in einem der größten Märkte der Welt – Europa – hat enorme Strahlkraft und manifestiert ganz Deutschland als Ort, an dem Veränderung gelingt. Das ist mehr als das Qualitätsversprechen „Made in Germany“ je leisten kann.

  3. Last but not least: Die Marke Ostdeutschland bietet die Chance zur Diskussion und Reflexion mit den Ostdeutschen, mehrheitlich ihren Platz in der Geschichte zu besetzen und die Erfahrung und Kraft aus dem Weg dorthin mit allen Deutschen zu teilen.

Ziemlich gute Sache

Eine solche Standortmarke Ostdeutschland wäre ein ziemlich guter Ort für die Menschen, Start-ups, Unternehmer, Investoren, Kreativen, ja sogar für Politiker oder auch einfach nur Besucher. Ist das zu idealistisch? Vielleicht. Aber es liegt an uns, ob wir diese Marke nun endlich anpacken und aufladen oder ob wir uns weiter über Zuschreibungen und Deutungen Dritter ärgern, die weder einen Beitrag zur Wende noch zur Transformation geleistet haben.

Es waren ziemlich gute Tage beim OWF mit guten Gesprächen, on und off the record. Eine Mehrheit der Gesprächspartner findet, es sei an der Zeit, diesen Markenprozess zu starten. Für den Osten, für Deutschland, aus Europa.

Wie man solch einen Markenbildungsprozess richtig startet, welche Instrumente und Maßnahmen, ob Workshops, strategische Beratung, Konzeption etc., es dazu braucht, dass er gelingt - das wissen wir bei der Kommunikationsagentur zebra | group bestens. Aber was ist der Nukleus und wer kann der Product-Owner sein? Das ist der spannende Teil an dieser Aufgabe. Das OWF Zukunft hat sich vorgenommen, diesen Nukleus gemeinsam mit der zebra | group zu erzeugen. Ich werde berichten, wie das gelingt.

Herzlichst,

Ralf Sippel

Ihr:e Ansprechpartner:in

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    zebra | group GmbH

    Ralf Sippel

    Head of Strategy & Business Development